Der jährliche Tierarztbesuch ist für den allergrößten Teil der Hundebesitzer ein Pflichttermin. Dabei stehen auch (fast) immer Impfungen bevor. Das Wissen darüber, was, wann , wie oft geimpft wird, ist jedoch meist nur einem kleinen Teil der Tierhalter bewusst.
Wir wollen mit diesem Beitrag einen Einblick verschaffen über die aktuellen Impfempfehlungen und die Umsetzung in unserer Praxis.
"So viele Tiere wie möglich und das einzelne Tier so wenig
(so häufig)* wie nötig!"
Das ist die Devise beim heutigen Impfprogramm.
Unterteilt werden die geimpften Krankheiten in Core-Komponenten = zwingend nötig bei jedem Tier und Non-Core-Komponenten = nötig bei erhöhtem Infektionpotential/individuelle Prophylaxe.
*so steht es in den Impfleitlinien, uns gefällt die Formulierung "so wenig" aber besser...
Zuerst eine kleine Übersicht über die Erkrankungen (die Buchstaben stehen für die Abkürzung im Impfausweiß) an sich:
Die Core-Komponenten:
1. S = Staupe: Eine Viruserkrankung, welche mit dem Masernvirus des Menschen verwandt ist und derzeit viel in den Medien beschrieben wird. Neben Hunden erkranken besonders auch Waschbären und Füchse an diesem Virus. Diese Tiere gelten als Hauptüberträger der Krankheit und aufgrund der zunehmenden Ausbreitung dieser Tiere, ist auch die Staupe in einigen Regionen Deutschlands wieder auf dem Vormarsch. Dies hängt auch stark mit der Impffaulheit sowie dem Impfgegnertum einiger Tierbesitzer zusammen. Das Virus verursacht ein vielfältiges Krankheitsbild und kann zu Darm- , Lungen-, und/oder Hirnentzündungen führen.
2. P= Canine Parvovirose: Das canine Parvovirus ist eine sehr ansteckende Krankheit die zu einer hochgradigen Magen-Darmentzündung führt. Besonders betroffen sind Junghunde.
3. H (oder A) =Ansteckende Leberentzündung= Hepatitis contagiosa canis:
Diese Erkrankung, ausgelöst durch das canine Adenovirus-Typ 1, taucht nur noch in Klammern auf der Liste auf, da sie in Europa nur noch sehr selten zu sehen ist. Geimpft wird daher nur noch der Virus-Typ 2, welcher am Zwingerhustenkomplex beteiligt ist. Aufgrund der genetischen Verwandschaft besteht jedoch eine sogenannte Kreuzimmunität und damit ein ausreichender Schutz gegen HCC.
4. L= Leptospirose: Auch Stuttgarter Hundeseuche genannt, wird im Gegensatz zu den anderen Erkrankung durch ein fadenförmiges, bewegliches Bakterium ausgelöst. Welches in sehr vielen verschiedenen Varianten vorkommt.
Leptospiren fühlen sich in nahezu allen Wild-, Haus- und Nutztieren wohl und können auch beim Menschen Infektionen verursachen. Die wichtigste Infektionsquelle besteht durch warmes, stehendes oder langsam fließendes Gewässer, welches meist durch Ratten oder Mäuse kontaminiert wurde = Pfützen im Sommer! (sind für viele eine beliebte Trinkquelle!) Bei einer Erkrankung wandern die Erreger vom Blut in verschiedene Organe und führen dort zu schweren Entzündungsreaktionen, besonders betroffen sind dabei die Nieren.
5. T= Tollwut: Deutschland ist seit 2008 offiziell tollwutfrei und umgeben von ebenfalls tollwutfreien Ländern. Eine Gefahr besteht durch das illegale Verbringen von Hunden und Katzen, welche infiziert sind (seit 1978 10 Fälle). Jedoch nimmt der Handel mit Tieren aus Osteuropa immer mehr zu und dadurch könnte die Gefahr eventuell steigen.
Geimpfte Tiere sind ungeimpften Tieren gegenüber in der Tollwut-Verordnung besser gestellt. Im Seuchenfall oder - verdacht dürfen ungeschützte Tiere getötet werden.
Eine Impfpflicht herrscht im europäischem Reiseverkehr und bei Veranstaltungen (Tierschauen, Sportveranstaltungen und co.).
Non-Core-Komponenten:
1. Pi= Canines Parainfluenzavirus: ist Teil des Zwingerhustenkomplexes, einer Infektion vorallem der oberen Atemwege. An dieser Erkrankung sind verschiedenste Erreger beteiligt und anderem
2. Bb= Bordetella bronchiseptica, ein Bakterium, welches auch bei Katzen vorkommt. Besonders gefährdet sind Hunde beim Zusammentreffen größerer Hundegruppen verschiedener Herkunft. In Verbindung mit Stress, Krankheit oder anderen Gründen für ein reduziertes Immunsystem können auch hochgradige Verläufe mit Fieber und Bronchitis auftreten. Aufgrund der hohen Hundedichte in der Stadt Leipzig empfehlen wir nahezu jedem Tierhalter die Impfung gegen den Zwingerhusten.
3. Canines Herpesvirus: betroffen davon sind Zuchtstätten, da es Welpensterben verursacht.
4. Lyme-Borreliose: Erkrankung, ausgelöst durch Bakterien welche durch Zecken übertragen werden.
5. Dermatophytose: Hautpilzerkrankung, hier hat sich die therapeutische Impfung etabliert
6. Leishmaniose: Erkrankung mit einem einzelligen Parasiten übertragen durch die Sandmücke in Mittelmeerstaaten.
Sooo...das waren jetzt ganz viele Information über ganz viele Krankheiten.
Was wird denn jetzt wann geimpft??
Zur Beantwortung dieser Frage erfolgt noch ein kurzer Ausflug in die Immunologie, die Wissenschaft über unser Abwehrsystem.
Dieses Abwehrsystem bildet Antikörper gegen Krankheitserreger, die Antigene. Je nach Art des Krankheitserregers unterscheiden sich die Antikörper in ihrere Überlebenszeit.
Wir impfen entweder geschwächte oder abgetötete Krankheitserreger oder Teile von ihnen. Die Antikörper werden dann gebildet und für eine gewisse Zeit "aufbewahrt". Während einer Trächtigkeit werden diese zu einem kleinen Teil über die Planzenta an die Welpen abgegeben, der weit aus größere Teil gelangt über die Milch in die jungen Hunde. Dort verbleiben die Antikörper für eine bestimmte, aber nicht genau bekannte Zeit (ca. 6-12 Wochen). Impfen wir die Welpen, während noch mütterliche Antikörper im Blut sind, wir die Impfung quasi eliminiert. Impfen wir zu spät und die Welpen besitzen keine Antikörper mehr, riskieren wir schwerwiegende Erkrankungen. Dieses Phänomen nennt sich die Immunologische Lücke. Für ein Immungedächtnis, also für eine gute Haltbarkeit der Antikörper, braucht es bei den meisten Krankheiten 2 wirksame Impfungen im Abstand von 4 Wochen. Die Antikörper gegen Staupe, Parvovirose und HCC halten sich nach erfolgreicher Grundimmunisierung am längsten (3 Jahre und länger), Die Antikörper gegen Leptospirose, Parainfluenza und Bordetella dagegen nur 1 Jahr.
So jetzt sind wir fast am Ziel:
Grundimmunisierung:
1. Impfung 8.Woche SHP + L + (PiBb)
2. Impfung 12. Woche SHP + L + (T)
3. Impfung 16. Woche SHP (für den Fall, dass die erste Impfung aufgrund vieler mütterlicher Antikörper "nutzlos" war)
4. Impfung 15. Monat SHP + L + (PiBb)
danach folgen die
Wiederholungsimpfungen:
Jährlich: L (und PiBb)
3-jährlich: SHP (und T)
Das klingt irgendwie immer noch nach vielen Impfungen.
Kann man da noch was einsparen?
Ja, könnte man, aber nur für die Impfungen SHP. In dem man die besonders lang haltbaren Antikörper im Blut misst. Dies erfolgt mittels einer Blutprobe und einem Schnelltest in unserer Praxis oder per Einsendung in ein Labor. Entweder es werden die mütterlichen Antikörper zum 1. Impfzeitpunkt bestimmt, der Impferfolg mit ca. 6 Monaten geprüft oder die Notwendigkeit einer SHP Impfung, 3 Jahre nach der letzten Impfung. Besonders sinnvoll ist es Hunde, ab einem Alter von ca. 8 Jahren, im Rahmen eines Alters-Checks sowohl einer Routine-Blutuntersuchung als auch einer Impf-Titer Untersuchung zu unterziehen.
Jetzt noch Informationen für die Streber unter euch:
Welche Impfstoffe wir in unserer Praxis führen:
Nobivac SHP, 3-Jahre Gültigkeit nach erfolgreicher Grundimmunisierung
Nobivac T: Tollwutimpfstoff, der nach 1-maliger Injektion 3 Jahre Gültigkeit besitzt
Nobivac PiBb: 2-Komponenten Zwingerhustenimpfstoff, welcher in die Nase geträufelt wird (das ist für die Hunde manchmal etwas unangenehmer als ein kleiner Pieks). Dieser Impfstoff benötigt keine Grundimmunsierung.
Nobivac Pi: Der Zwingerhustenimpfstoff für die ängstlichen und nicht so netten Hund zur "normalen" Injektion. Dieser muss bei der Erstimpfung nach 4 Wochen nachgeimpft werden um eine wirksame Grundimmunsierung zu erreichen.
Eurican L Multi: Der Leptospirose-Impfstoff mit der besten Wirksamkeit auf dem Markt, da er sowohl vor 4 Gruppen schützen als auch die geringsten klinischen Symptome bei (experimenteller) Infektion zeigt.
Für die anderen Non-Core Komponenten haben wir keinen Impfstoff vorrätig, können ihn aber, bei individuellem Bedarf, bestellen. Sprechen sie uns einfach darauf an.
Wir bieten in unserer Praxis als Standard Leistung übrigens auch eine Impftiter Bestimmung an, damit kann anhand der im Blut vorhandenen Antikörper für die Infektionskrankheiten S,H und P eine individuelle Impfempfehlung je Tier ausgesprochen werden und eventuell die Impflast reduziert werden. Mehr Informationen zu der Impftiterbestimmung gibt es in unserem neuen Blogbeitrag zu dem Thema.
Wer von all dem noch nicht genug hat, oder wissen will auf welchen Quellen unser Wissen beruht, darf sich in den Links weiter belesen:
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