Im Beitrag vom letzten Jahr sind wir bereits auf Management-Maßnahmen eingegangen. Diese sind nun auch wieder auf den neusten Stand gebracht, da sich die Verhaltensmedizin auch stetig weiterentwickelt. In diesem Beitrag wollen wir uns daher mit den Grundlagen der Angst beschäftigen und einige mögliche Medikamente in Wirkung und Anwendung erklären.
Was genau Ihrem Tier und Ihnen hilft, muss natürlich immer individuell mit dem behandeltem Arzt geklärt werden. Aus zahlreichen Gesprächen wissen wir aber, wie überfordernd all diese Information innerhalb kurzer Zeit für die Patientenbesitzer sind. Daher bieten wir Ihnen hiermit an, sich vorab zu informieren um dann auch gezielter Nachfragen stellen zu können. Die Behandlung von Geräuschangst bedarf nicht nur der Behandlung des Tieres sondern auch ein gutes Besitzermanagement. Nur wenn sie verstehen, was die Medikamente bei ihrem Tier "auslösen" können sie den Einsatz und die Dosierung richtig beurteilen. Einen festen Fahrplan gibt es nämlich bei keinen der eingesetzten Mittel. Sowohl Dosis als auch Häufigkeit der Gaben sollten der Situation, welche sich dynamisch verändert während der Silvestertage, angepasst werden.
Die Angst ist eine angeborene Stressreaktion des Körpers, welche sich mit der Furcht, der erworbene Erfahrung mit bestimmten Situation, vermischt. Es gibt daher Hunde die genetisch bereits mehr Angst aufweisen als andere. Dazu zählen unter anderem Border Collies. Sowohl Angst als auch Furcht lösen im Körper negativen Stress aus, sogenannten Distress. Bei Geräuschangst handelt es sich meist um akuten Stress. In diesem Fall kommt es als erstes zu einer kurzzeitigen Aktivierung des Nervus Vagus (Parasympathikus), welcher eigentlich als Ruhenerv bekannt ist. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Darmpassage (Durchfall, unkontrollierter Kotabsatz) und vermehrtes Speicheln. Gleich darauf setzt jedoch der Gegenspieler der Sympathikus ein. Dieser veranlasst die Freisetzung von Noradrenalin und Adrenalin aus Alpha2-Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind nahezu im gesamten Körper verteilt, finden sich aber vemehrt in einer bestimmten Hirnregion, dem Locus Coeruleus.
Keine Angst sie müssen sich jetzt weder die Namen von Rezeptoren noch von Hirnregionen merken. Es dient aber nachher der Verständlichkeit der Wirkung unserer Medikamente.
Noradrenalin als Stresshormon führt nun zu den typischen Stressanzeichen: Pupillenweitung, Atemfrequenz-, Herzfrequenz- und Blutdrucksteigerung, Hecheln (beim Hund) und Pfotenschwitzen (bei den Katzen) und Appetitlosigkeit
Bei erhöhtem Stresslevel können wir nun die Angstsymptome unserer Tiere wahrnehmen, diese bestehen aus den 4 F´s : Flight (Flüchten), Freeze (Erstarren), Flirt (beschwichtigen) und Fight (Kämpfen, Angstbeißen).
Ca. 50% unserer Hunde zeigen zu Silvester Angstsymptome. Diese natürlich in unterschiedlicher Ausprägung. Diese Angst wird nicht ausschließlich durch das Knallen von Feuerwerk ausgelöst, sondern auch durch die Gerüche (auf die Brandgerüche reagiert die Hundenase sehr empfindlich) und die Lichtimpulse. Alleiniges Abschirmen der Geräusche reicht also nicht bei jedem Patienten.
Die leichten Fälle können mit verschieden Nahrungsergänzungmitteln behandelt werden. Die Auswahl derer ist in den letzten Jahren riesig geworden. Sie basieren unter anderem auf Pheromonen (wohltuende Duftstoffe), "hemmende" Aminosäuren (Tryptophan, Casein) und Vitamin B. Diese Wirkstoffe können helfen Stresssituation leicht abzumildern, beziehungsweise helfen dem Körper besser mit der Stresssituation umzugehen.
Bei stärkerer Geräuschangst, Hunde die sich beim ersten Knall verstecken, das Gassi gehen verweigern, Essen und Trinken einstellen und sich durch Fluchtversuche in Gefahr begeben, sollte jedoch medikamentös geholfen werden.
Dafür gibt es 3 verschiedene Varianten (Nummer 4 = Acepromazin, wird hier nicht erwähnt, da die Anwendung nicht mehr zeitgemäß und tierschutzrelevant ist)
1: Dexmedetomidin = Sileo: Erstes aber nicht mehr einziges zugelassenes Medikament zur Linderung der Geräuschangst bei Hunden. Der Wirkstoff setzt direkt an die alpha2-Rezeptoren (siehe oben) an und spielt dem Körper damit vor Noradrenalin zu sein. Damit wird die Freisetzung von Noradrenalin vermindert. Der Hund hat weniger Stress und Angst. Während Dexmedetomidin in der Gelform und Dosierung von Sileo nur eine Angstlinderung verursacht. Wird es gespritzt in den Muskel von uns bei Narkosen eingesetzt. Daher sind die Nebenwirkungen (welche hauptsächlich bei Überdosierung auftreten) folglich auch eine leichte Sedation und ein Blutdruckabfall. Die Verabreichung erfolgt maximal alle 2 Stunden über die Schleimhaut des Maul und ist nicht immer ganz einfach. Lassen Sie sich dies bitte von Ihrem Tierarzt einmal vorführen. Bei versehentlichem Abschlucken kommt es jedoch "Nur" zum Wirkungsverlust.
2: Imeption = Pexion: Früher nur zugelassen zur Behandlung von Epilepsie, nun auch offiziell "zur Reduktion von Angst und Furcht bei Geräuschphobie des Hundes". Die Wirkweise ist ähnlich der von Benzodiazepine (Variante 3). Der Wirkstoff setzt im Nervensystem an hemmende Rezeptoren (Gaba-Rezeptor) an und verstärkt ihre Wirkung. Durch diese verstärkte Hemmung wird die Angst ebenfalls gelindert. Der sedierende Effekt ist im vergleich zu den anderen beiden Varianten sehr viel geringer und damit ist die Verträglichkeit besonders bei älteren Patienten besser. Die Verabreichung erfolgt in dem Fall von Pexion als Tablette 2mal täglich und kann auch über mehrere Tage gegeben werden. Der Wirkstoff ist einiger der wenigen Substanzen die nicht aus der Humanmedizin kommen, sondern speziell für die Tiermedizin entwickelt wurden.
3: Benzodiazepine =Diazepam, Alprazolam oder andere. Es handelt sich hier um eine Wirkstoffgruppe, deren bekanntester Vertreter, das Diazepam= Valium ist. Zugelassene Medikamente zur Behandlung der Geräuschangst bei Tieren gibt es nicht. Daher darf es nur als letzter Weg eingesetzt werden, wenn die beiden anderen Mittel versagt haben. Genau wie Pexion setzen Diazepine an die hemmenden Rezeptoren an und verstärken diese. Je nach Art des Wirkstoffes kommt es zu unterschiedlichen starkten Ausprägung der 4 Eigenschaften: angstlösend, sedativ, muskelentspannend, antikonvulsiv (=entkrampfend).
Bei Alprazolam überwiegt die angstlösende Komponente am stärksten, während die anderen Nebenwirkungen nur sehr schwach auftreten. Die Dosierung ist sehr stark Hunde-abhängig und sollte über einige Tage eingeschlichen werden (zur Dosisprüfung) und muss über mehrere Tage ausgeschlichen werden. Diazepam wirkt nur maximal 2,5 Stunden und ist daher für echte Angsthunde eher nicht zu gebrauchen, kann aber als Notfallmittel probiert werden.
So...damit hätten wir es geschafft.
Sie fragen Sich was eigentlich mit den Katzen ist? Warum ist immer nur die Rede von Hunden??
Katzen leiden deutlich seltener an Geräuschangst, beziehungsweise wird es von ihren Besitzern nicht so stark wahrgenommen. Oft verstecken sie sich und warten einfach ab bis das ganze vorüber ist und sitzen nicht wie der Hund zitternd und jammernd in der Ecke. Katzenbesitzer sollten daher ein Auge auf die Unscheinbaren Dinge haben, Kotabsatz (verminderter Kotabsatz über einige Tage kann zu Verstopfung führen), Futter- und Trinkmenge. Die allgemeinen Management-Maßnahmen zur Geräuschreduktion sollten trotzdem getroffen werden. Bei schlimmen Fällen der Geräuschangst können wir jedoch die Präparate für den Hund umwidmen. Außerdem haben wir pflanzliche Präparate, wie zum Beispiel CBD - Öle, Tabletten oder Pheromonstecker, mit denen wir bereits gute Erfahrungen in stressigen Situationen bei Katzen gemacht haben.
Zu Schluss haben wir noch eine Bitte (wenn es nicht schon Selbstverständlich für sie ist): Vermeiden Sie bitte das Anzünden von Feuerwerk und schonen Sie damit ihre und andere Vierbeiner. Ansonsten wünschen wir natürlich hiermit allen Patienten und Besitzern einen angenehmen und gesunden Rutsch ins Jahr 202
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