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AutorenbildTierarztpraxis Kolle

Meine Wohnungskatze muss ich doch aber gar nicht impfen lassen??

Aktualisiert: 20. Feb. 2021

Doch! Das Gerücht, dass Katzen ohne Zugang zu fremden Artgenossen oder der Umwelt keine Impfungen benötigen, hält sich leider tapfer. Wir klären hier auf wieso, was und wann der geliebte Stubentiger geimpft werden sollte.


Wieso?


"Meine Katze hat aber gar keinen Kontakt zu kranken Katzen." So oder so ähnlich hören wir es als Tierarztpraxis in zentraler Stadtlage des Öfteren.

Das Hauptproblem ist aber, dass Katzen in "isolierter" Haltung auch gar kein, beziehungsweise kaum ein belastbares Immunsystem aufbauen können. Durch unsere Schuhe und Kleidung dienen wir aber als möglicher indirekter Überträger von Krankheitserregern. Reine Wohnungskatzen können somit schon durch wenige und schwachpathogene Erreger schwer erkranken.





Was?


Die Abkürzung für die Katzenimpfung lautet RCP(T), was dahinter steht, erklären wir euch nun.


R= Rhinotracheitisvirus:

Die Bezeichnung führt etwas in die Irre, da es sich bei diesem Virus eigentlich um das feline Herpesvirus Typ 1 handelt. Beteiligt ist es an dem Katzenschnupfenkomplex. Die Hauptsymptome sind Entzündung der oberen Atemwege und der Augen. Die verklebten Augen von Jungkatzen mit bleibenden Verwachsungen und eingetrübten Hornhäuten sind oft Folge von Herpesinfektionen. Das Virus wird meist direkt über Sekrete, aber auch indirekt übertragen. In der Außenwelt ist es relativ unstabil und überlebt nur 24 Stunden, dafür ist es aber nach 1-maliger Infektion lebenslang im Katzenkörper persistent (ähnlich dem Lippenherpes des Menschen). Es wandert entlang der Nervenbahnen, vermehrt sich jedoch in den Schleimhäuten und dort besonders in den kühleren Regionen, daher die Symptomatik an den "äußeren" Schleimhäuten. Wenn die erste Infektionswelle überstanden ist, "schläft" das Virus in bestimmten Nervenknoten um bei reduzierter Immunleistung (Stress, Transport, Trächtigkeit,...) wieder auszubrechen. Nur in diesen Phasen ist das Virus auch in Untersuchungen nachweißbar. Das Virus selbst ist sehr einheitlich und hat nicht viele Varianten, daher ist unter den Stämmen eine gute Kreuzimmunität gegeben. Das heißt wenn wir Stamm A impfen, hilft es der Katze auch gegen Stamm B. Eine Impfung gegen Herpesviren bewirkt keine "Heilung" des Virenstatus und verhindert auch nicht vollständig die Ansteckung mit Herpesviren. Es kommt aber zu einer deutlichen schwächeren Symptomatik und selteneren Ausbrüchen des Virus.


C= Calicivirus:

Das Feline Calicivirus ist ebenfalls am Katzenschnupfenkomplex beteiligt und ist dem Herpesvirus in der Art der Übertragung sehr ähnlich. Die akute Symptomatik bei den Caliciviren sind vor allem Ulzerationen (sprich Gewebslöcher) der Schleimhäute im Nasen- und Rachenbereich. Bei einem Übergang zur chronischen Form entwickeln sich häufige Entzündungen am Zahnfleisch im Bereich der Zahnhälse, ohne das diese von Zahnstein oder - Belägen betroffen wären. Nach einer anfänglichen akuten Symptomatik können einige Katzen den Erreger eliminieren, die anderen werden zwar auch (meist) symptomfrei, aber bleiben lebenslang Träger und auch Ausscheider des Virus.

Auch von den Caliciviren gibt es verschiedene Stämme, welche nummeriert sind und sich in ihrer aktuellen Infektionslage unterscheiden. Die älteren Impfstämme (FCV F9 und 255) spielen mit den derzeit an Infektionen beteiligten Stämmen (sogenannten Feldstämmen) nur noch eine untergeordnete Rolle. Es gibt aber auch Impfstoff(e) mit den aktuelleren Stämmen (FCV 431 und G1). Anders als beim Herpesvirus ist die Kreuzreaktivität unter den verschiedenen Stämmen nicht so gut gegeben. Das heißt die Leistung des Immunsystems, nach Impfung mit dem alten Stämmen, bei einer Auseinandersetzung mit den Feldstämmen ist nicht so stark ausgeprägt, wie wir es bräuchten. Aufgrund der Vielfalt der Caliciviren kann also, ähnlich wie beim Herpesvirus, eine Ansteckung mit dem Virus durch eine Impfung nicht gänzlich verhindert werden, die Ausprägung der Symptome wird jedoch deutlich abgemildert.



P= Panleukopenievirus:

Aus diesen Katzenvirus hat sich das canine Parvovirus entwickelt, weshalb es manchmal auch als felines Parvovirus oder auch als Katzenseuche bezeichnet wird. Das Virus wird mit dem Kot ausgeschieden und ist, anders als die beiden vorherigen Viren, monatelang in der Umgebung infektiös. Daher kann es problemlos mit Schuhen und Kleidungsstücken in die Wohnung getragen werden. Nach Aufnahme des Erregers vervielfältigt es sich vor allem in sich schnell teilenden Zellen, also vorrangig im Lymphgewebe, Knochenmark und der Darmschleimhaut. Die Hauptsymptome sind jedoch meist Schwäche, Fieber und Anorexie (Verweigern der Nahrungsaufnahme). In einigen Fällen kommt es auch zu Erbrechen und wässrigen Durchfällen, dies ist jedoch deutlich seltener als bei den Hunden der Fall. Auch ein perakuter Verlauf, also eine sehr rasche Verschlechterung, innerhalb von 24 Stunden bis zum Tod ohne starke Symptomatik ist möglich.

Es handelt sich bei dem felinen Panleukopenievirus also um das gefährlichste der verbreiteten Katzenviren. Die gute Nachricht ist jedoch, dass der Impfschutz bei guter Grundimmunisierung sehr gut und lange wirkt.

Bei der Grundimmunisierung muss jedoch auf die maternalen Antikörper geachtet werden. Besonders gute geimpfte Muttertiere geben sehr viel Antikörper, also Schutzstoffe, an ihre Kitten weiter. Diese verhindern eine eigene Immunreaktion der Kitten auf den den Impfstoff. Daher wird bei Jungtieren eine 3-malige Impfung in der 8., 12. und 16. Woche empfohlen.


T= Tollwut

Deutschland gilt als frei von terrestrischer/klassischer Tollwut, ebenso die meisten unserer direkten Nachbarländer. Damit ist eine Ansteckungsgefahr nahezu ausgeschlossen. Die Impfung der Tollwut bei Freigängern hat daher mehr einen rechtlichen Hintergrund. Die Tollwutverordnung sieht nämlich die Tötung aller ungeimpften Tiere im Umkreis von 40 Kilometern bei einem Erkrankungsfall vor.

Aufgrund des hohen Reiseverkehrs und des Importhandels (beides nicht immer auf legalem Weg) mit Hunden und Katzen aus anderen EU und Nicht-EU-Staaten ist jedoch eine (wenn auch sehr geringe) Gefahr der Einschleppung vorhanden.


Länder mit Tollwut bei Haustieren 2017: Georgien, Ungarn, Ukraine, Spanien, Russland, Polen, Türkei, Moldavien


Daher wird bei Freigängerkatzen auch die Tollwutimpfung empfohlen.





Was man noch impfen könnte:


FeLV= Felines Leukämievirus

Dieses Virus wird nahezu ausschließlich direkt von Katze zu Katze übertragen, da es in der Umwelt sehr instabil ist. In Deutschland sind ca. 2 % der freilebenden Katzen Virenpositiv. Nach einer Infektion gibt es verschiedene Verlaufsformen, die Krankmachende ist die progressive Verlaufsform, bei der die Katze nicht ausreichend hohe Antikörperspiegel bilden kann um das Virus unter Kontrolle zu halten. In dieser Verlaufsform kann es innerhalb von 3-5 Jahren zu virusassoziierten tödlichen Krankheiten kommen. Dies können sowohl Tumore als auch Immun- und Knochenmarksunterdrückung sein. Besonders gefährdet sind freilaufende junge Katzen, da ältere Katzen kaum noch an der progressiven Form erkranken. Vor einer Impfung wird der Virusstatus der Katze geprüft, da die Impfung bei bereits positiven Antikörpern nutzlos ist.


FeCoV= Felines Coronavirus

Auch als FIP-Impfung bekannt. Es gibt nur einen Nasenimpfstoff und der macht nur selten Sinn, da die Effektivität sehr gering ist. Daher gehen wir nicht näher auf die Erkrankung und die Impfung ein, bei Interesse können wir dies in einem Gespräch klären.


Bb= Bordetella Bronchiseptica

Ein Bakterium ,welches ebenfalls dem Katzenschnupfenkomplex zuzurechnen ist. Der Erreger macht alleinig aber nur eine geringe bis milde Hustensymptomatik. Problematisch ist er hauptsächlich für junge oder immungeschwächte Tiere.

Die Impfung wird über die Nase als Tröpfchen verabreicht, besonders bei erhöhter Expositionsgefahr (Katzenpension, Ausstellung) ist diese empfehlenswert.


Ch = Chlamydia felis

Ebenfalls ein Bakterium, dieses lebt aber intrazellulär, also innerhalb der Wirtszelle. Besonders die Schleimhäute sind bei diesem Bakterium sehr beliebt. Es gehört auch zu den Katzenschnupfenerregern und ist vorrangig für vereiterte Augen verantwortlich. Anfällig sind besonders Tiere zwischen 2 und 8 Monaten, da vorher die Mutterantikörper schützen und danach das eigene Immunsystem kompetent genug ist. Der Erreger ist in einigen wenigen Kombi-Impfstoffen enthalten und ist vor allem für Zuchtbestände und Tierheime sinnvoll.


So das waren jetzt ganz viele Informationen...



Wann wird denn die Katze nun geimpft??




Grundimmunisierung

R+C+P = 2x in Abstand von 4 Wochen (Bei Jungkatzen unter 12 Wochen 3x) und nach einem Jahr nochmal

T = bei Freigängern 1xmalig (bei einigen Impfstoffen nach 1 Jahr wiederholen)


Wiederholungsimpfung

das ist vom Impfstoff abhängig...

P = bewirkt eine langes Immunitätsgedächtnis, alle 3 Jahre sind meist ausreichend

R+C = bei den aktuellsten Impfstoff(en) wird ebenfalls eine Frist bis zu 3 Jahren eingeräumt, die meisten Impfstoffe sehen jedoch eine jährliche Impfung vor

T = alle 3 Jahre



Also nur noch alle 3 Jahre zum Tierarzt??


Nein, bitte nicht! Die (bisher meist) jährliche Impfung bei der Katze ist vorallem wegen der Gesundheitsuntersuchung wichtig! Dieser Allgemeine Check der Katze hilft frühzeitig Veränderung von zum Beispiel Augen, Zähne und Zahnfleisch, Herz und Lunge und Fell aufzudecken. Im gehobenen Katzenalter ist außerdem eine Kontrolle der Blutwerte ratsam, besonders im Hinblick auf Niere, Leber und Schilddrüse.


War da nicht noch was mit Antikörpertestung?

Ja, ähnlich wie beim Hund können die Antikörper im Blut der Katze getestet werden. Dies ist jedoch aufgrund von verschiedenen Faktoren ausschließlich für die Panleukopenie sinnvoll. Damit ist es bei älteren (über 8 Jahren) Katzen in Wohnungshaltung (also mit geringer Katzenschnupfenansteckungsgefahr) eine Alternative zur Impfung alle 3 Jahre. Wenn man schon einmal Blut von der Katze hat, kann auch gleich ein Geriatriecheck Aufschluss über die Organwerte geben.


Und wegen den Tumoren durch Impfungen?

Ja, es ist untersucht und bestätigt wurden , dass Impfungen zu Sarkomen führen können. Genannt wird dieses Krankheitsbild: feline injection-site associated sarcoma, kurz FISS. Es wird vermutet, dass die lokalen Entzündungsreaktionen daran beteiligt sind. Die Wahrscheinlichkeit oder auch FISS-Inzidenz liegt jedoch bei 0,3 Fällen auf 10 000 Impfdosen, bei der Leukose-Impfung liegt sie etwas höher.

Auch aufgrund dessen gilt der Leitsatz

„Mehr Tiere impfen, das einzelne Tier (nur) so oft wie nötig!“


Update:


Am 01.01.2021 erschien die 5. Auflage der Impfleitlinien für Kleintiere.


Änderungen:


1. Wesentliche Änderungen in der Aufmachung ergeben sich lediglich durch die Einordnung der Core (Pflicht) - Impfungen und Non-Core (Freiwilligen)- Impfungen in ein Ampelsystem mit 0-3 grünen Leuchten.


2. Erstmals wird die Tollwut- Impfung bei Katzen als Non-Core Komponente aufgeführt, da die terrestrische Tollwut in Deutschland getilgt ist. Bei Katzen, die nicht grenzüberschreitend reisen, kann daher auf die Tollwutimpfung verzichtet werden. Gegen Tollwut-geimpfte Tiere sind aber, nach der nationalen Tollwutverordnung, bei einem Kontakt mit seuchenkranken oder seuchenverdächtigen Tieren bessergestellt. Zudem dürfen nur Tollwut geimpfte Tiere innergemeinschaftlich verbracht werden. Die Impfung entsprechend der Herstellerangaben ab einem Lebensalter von 12 Wochen ist für die Besserstellung gemäß Tollwutverordnung ausreichend.


3. Die Impfung gegen FIP (Feline Infektiöse Peritonitis) wird nicht empfohlen, da die Wirksamkeit der Impfung deutlich eingeschränkt ist.



Quellen zum weiterlesen:


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