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Giardien - eine neue Durchfall Seuche oder alte Geister?

Aktualisiert: 17. Juli 2021

Da sich in unserer Praxis seit ein paar Monaten die Fälle von Giardien-Infektionen / Giardiose bei Katzen und Hunden häufen, möchten wir nun etwas detaillierter Licht in dieses Thema bringen. Unser aktuelles Beispiel dazu sind die beiden Katzenwelpen Irma und Paula.




Die Giardien stellen sich vor...


Giardia intestinalis ist die genaue Wissenschaftliche Bezeichnung. Sie gehören zu den Protozoen (Einzeller), auch genannt Urtierchen, genauer gesagt zu den begeißelten Flagellaten (Fortbewegung mittels einer Peitsche). Dies beweist also gleich den zeitlichen Zusammenhang: Giardien gab es schon zu Urzeiten, sie haben bereits Lebewesen vor uns Menschen geärgert und besiedelt.


begeißelte Einzeller - Giardien

Die Erreger kommen bei vielen verschiedenen Wirbeltieren vor und sind Europaweit verbreitet. Es besteht also keine Annahme, dass die Tiere auf Reisen verstärkt infiziert werden. Es gibt viele Genotypen (A-G) die unterschiedliche Wirte bevorzugen. Giardia intestinalis vermehrt sich im Darm und bildet dort Eier, sogenannte Zysten, diese werden mit dem Kot ausgeschieden und danach wieder durch das Maul, also oral, aufgenommen. Dieser Lebenszyklus dauert 4-16 Tage.


Die Anzahl der Zysten die mit dem Kot ausgeschieden werden ist enorm hoch - in Zahlen:


Giardien Zysten

1 Gramm Kot enthält circa 300.000 Zysten.

Die infektiöse Dosis für Mensch und Tier liegt bei 10- 100 Zysten.







Die Zysten sind sofort infektiös und werden nicht immer ausgeschieden, dies erfolgt meist phasenweise. Das bedeutet, dass die Eier der Giardien nicht immer im Kot nachweisbar sind. Die Zysten bleiben in feuchter Umgebung 3 Monate und im Kot 1 Woche ansteckend, sind aber gegenüber Austrocknung und kalten Temperaturen unter -4 Grad (über 1 Woche!!!!) empfindlich. Das klingt schon mal ziemlich fies. Nun aber dazu wie Infektionen aussehen....


Die Giardien befallen unsere Haustiere...


Am häufigsten sind Jungtiere und immun-geschwächte Vierbeiner betroffen, die bereits auch von anderen Erregern befallen sind. Es sind also häufig Mischinfektionen. Umso mehr Tiere auf einem Haufen sind, z.B. bei Pensionen, Tierveranstaltungen, Tierheimen, Zwingern oder Zuchtstätten, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Tier ansteckt.

Die Symptome sind auf den Magen Darm Trakt beschränkt. Die Tiere werden bei uns vorstellig mit Durchfällen (dünnbreiige- wässrige, auch blutige Kotkonsistenz), die mit Unterbrechungen immer wieder auftreten können. Weitere Symptome sind Übelkeit, Schwäche, fehlender Appetit, Erbrechen.



Hund mit Giardien zur Infusion

Nun kommen die wichtigen Punkte zum Thema Infektion:


1. Nicht jedes Tier muss an einer Symptomatik erkranken! Auch wenn viele Zysten oral aufgenommen werden, muss keine Giardienvermehrung im Darm erfolgen, folglich auch kein Durchfall kommen und keine Zysten ausgeschieden werden. Die Infektion verläuft hier also ohne klinische Erkrankung. Ein gutes Beispiel sind unsere Praxishunde Dexter und Hanna: Sie haben ständig Kontakt zu infizierten Tieren und Oberflächen und beide sind bisher symptomfrei. In einem Haushalt mit mehreren Tieren muss nicht jedes Tier erkranken. Dies bestimmt wieder die individuelle Immunlage und das Alter eines jeden Tieres. Dazu unser aktuelles Beispiel aus der Praxis: Irma und Paula sind Jungtiere und leben mit einer älteren Katzendame namens Emma in einem Haushalt. Paula, die Leichteste von allen, erkrankte schwer (stark wässriger Durchfall, Schwäche, Erbrechen, Inappetenz), Irma erkrankte leicht (wässriger Durchfall aber topfit), Emma hat gar keine Symptome.


2. Giardieninfektionen sind in den aller seltensten Fällen tödlich! Wir hatten noch nie in unserer beruflichen Laufbahn einen Todesfall auf Grund dieser Erkrankung. Nur unter extrem schlechten Lebensbedingungen und medizinischen Umständen, sowie mit Begleitinfektionen bringen auch diese Erreger das Fass zum Überlaufen.


3. Giardien sind auf den Menschen übertragbar aber nicht alle Stämme! Eine Infektion mit Giardien ist als potentielle Zoonose (von Tier auf Mensch übertragbare Erkrankung) zu sehen, aber die Giardienstämme die unsere Vierbeiner befallen, sind für uns Menschen selten schädlich, haben also kein zoonotisches Potential. Nur wenige Prozent unserer Haustiere sind mit den für Menschen gefährlichen Genotypen infiziert. Falls Risikogruppen (Kleinkinder, Immunsupprimierte Personen) im Haushalt leben, kann eine Genotypierung mittels molekularbiologischer Methoden in einem Labor erfolgen. Diese Personen sind besonders  gefährdet und sollten bei Auftreten von Magen-Darm-Symptomen ihren Arzt aufsuchen und sich testen lassen.



Wie weisen wir Giardien nach?


Bei passenden Symptomen und potentiellen Verdacht erfolgt in unserer Praxis ein Schnelltest in dem das Giardien Antigen mittels Farbumschlag nachgewiesen wird. Dieses Verfahren ist praktikabel, sicher und schnell ( circa 15 min). Wichtig ist hierbei, dass von den Tierbesitzerin eine Sammel- Kotprobe gebracht wird. Das bedeutet, Kot von mindestens 3 Tagen, von möglichst jedem großen Geschäft. Dazu gerne auch Proben von den mit im Haushalt lebenden Tieren, die ähnliche Symptome zeigen.

Durch Sammelkot steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Erreger finden und nachweisen. Möglichkeiten des mikroskopischen Nachweises gibt es auch, aber diese sind nicht so sicher. Auch ein Nachweis über ein externes Labor mit genauer Stammanalyse ist eine Alternative, aber zeitintensiv und teuer.


Es macht Sinn weitere Tiere mit Symptomen im Haushalt mit zu testen, auch symptomlose Tiere können mit getestet werden, da diese manchmal starke Ausscheider von Zysten sind und die anderen ständig neu anstecken. Nach der Behandlung mit Medikamenten führen wir eine Erfolgskontrolle mittels Schnelltest durch.


Wie werden wir nun die Giardien los?


Dies ist wohl nicht immer einfach, denn wie aufmerksame Leser sicher bemerkt haben, sind die kleinen Parasiten sehr angepasst an uns als Wirt und unheimlich zäh. Sozusagen schwer tot zu kriegen.


Für uns als Tierärzte ist durch die eindeutige Symptomatik und den Erregernachweis ein schnelles Handeln möglich. Wir haben zwei für Tiere zugelassene Präparate zur Verfügung - Fenbendazol ( Panacur, als Tabletten oder Flüssigkeit) und Metronidazol (Metrobactin als Tabletten). Eine Unterstützung des Darmtraktes mittels Magen-Darm Diät (kommerziell oder gekocht) ist sinnvoll und auch eine symptomatische Behandlung der Durchfallbeschwerden hilft den Patienten sehr. Oft wird von einer Low-Carb Diät gesprochen, da Giardien kohlehydratliebend sind. Vom Durchfall ausgezehrte Tiere sollten aber weiterhin einfache Energiequellen, in Form von Kohlehydraten, zur Verfügung haben. Daher können wir aus unserer Praxiserfahrung sagen, dass eine klassische Magen- Darm- Diät ausreichend Hilfe bietet.


Leider erleben wir neuerdings häufig Tierbesitzer die sich im Vorfeld bei Dr. Google und Dr. FacebookGruppe schlau gemacht haben und diese beiden Giardien- Mittel als unwirksam ansehen. Wir führen dies darauf zurück, dass mit der Behandlung unzufriedene Tierbesitzer diese Mittel in den sozialen Medien verteufeln. Dies führt in dem Fall dazu, dass Tierbesitzer eigenständig Spartrix ( Wirkstoff Carnidazol - ein Mittel gegen Trichomonaden / Einzeller- Befall bei Tauben) in der Versandapotheke bestellen und anwenden. Dieses Mittel ist jedoch nicht für Hunde und Katzen zugelassen, demnach nicht in Studien getestet und niemand haftet für Nebenwirkungen. Über die Wirksamkeit können wir selbst nicht reden, da wir keine Erfahrung damit haben, denn für uns ist dies eine Off- Label Anwendung, die nur bei einer Resistenz der Giardien gegen die beiden zugelassenen Mittel gerechtfertigt wäre.


Giardien los zu werden, ist nicht immer einfach, da es in den meisten Fällen zu einer Reinfektion durch die Zysten kommen kann. Leider führt dies oft zu Frust bei den Tierhaltern und auch für uns sind wiederkehrende positive Giardientests nervenaufreibend. Aus eigener praktischer Erfahrung zeigt sich aber, dass meistens der dritte Versuch ausreicht und die Tiere dann symptomfrei sind.



Metronidazol, Fenbendazol
Medikamente zur Behandlung bei Giardien


Bei einer Giardiose gehört zur Medikation immer ein strenges Hygiene Regime. Dazu geben wir unseren Patienten gerne einen Info-Flyer vom ESCCAP (eine europäische Organisation die sich mit Parasiten bei Tieren beschäftigt) mit. Hier kann man den Flyer auch lesen und sich weiter informieren https://www.esccap.de/uploads/tx_bscebestellung/ESCCAP_Giardien_Factsheet_Hygienemassnahmen_2017.pdf




Es ist sicher schwer umsetzbar, dass jeder Haushalt mit einem Dampfreiniger seine Oberflächen bearbeitet, daher sollte insgesamt der Grundsatz gelten die Anzahl der Zysten in der Umgebung zu verringern. Das bedeutet, sie auf ein fürs Immunsystem passables Niveau zu reduzieren. Eine komplette Auslöschung der Giardien erscheint unmöglich, gerade Tierheime und Pensionen / Hundekindergärten sind schwer gänzlich Giardienfrei zu bekommen, aber eine Senkung des Infektionsdruck ist mit einfachen Maßnahmen möglich:


1. Kot entsorgen! Im Fall von Irma und Paula wird die Katzentoilette öfter geleert.


2. Alle Kontaktflächen der Tiere reinigen. Irma's und Paula's Näpfe sowie Katzentoiletten werden täglich gründlich gereinigt und mit kochendem Wasser behandelt. Decken/ Schlafplätze und Spielzeug werden bei über 60 Grad Celsius gewaschen.


3. Nach schweren Durchfällen kann schon mal was daneben gehen und im Fell hängen bleiben, wir empfehlen daher den Analbereich zu reinigen (am besten mit Chlorhexidin Shampoo) und falls nötig die Haare zu verschneiden.



So nun haben wir hoffentlich etwas mehr Licht in den Mythos Giardien gebracht.. Also keine Angst vor den kleinen angepassten Urtieren- fast immer sind die Durchfall Erreger sehr einfach zu diagnostizieren und gut, wenn auch manchmal zeitaufwendig, zu behandeln.


Da wir viele Anrufe und Fragen zum Giardien Thema erhalten, möchten wir darauf hinweisen, dass wir Beratungen zu dem Thema gern per Telefontermin nach vorheriger Anmeldung/ Datenerfassung vornehmen.

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